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Bernhard Schlink - Liebesfluchten 

Zeitpunkt:  02.08.2012  07:48
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Meine Rezension zu diesem Buch ist zwar nicht eindeutig, aber persönlich.

Buch-Cover
Der Schriftsteller Bernhard Schlink, sehr erfolgreich mit dem Beststeller-Roman Der Vorleser, veröffentlichte 2000 eine Kollage kurzer Geschichten zur Problematik unerfüllter oder unmöglicher Liebe männlicher Bildungsbürger in fiktiven aber aktuellen Situationen unter dem Titel Liebesfluchten. Das Buch war ein Bestseller und nach der Lektüre der ersten Kapitel, wußte ich nicht, wieso.

Zugegeben! Ich bin kein Freund von Romanen. Besonders nicht, wenn bewußt Realität mit Fiktion wild vermengt zur reinen Unterhaltung dienen soll. So empfand ich Daniel Kehlmann's Roman Die Vermessung der Welt nach anstrengenden Arbeitstagen zwar als angenehm zu lesende Einschlaflektüre, fühlte mich aber hinterher dümmer als zuvor, da mir die Unterscheidung zwischen merkenswerten reellen Fakten und dazugereimten Informationen fehlt. Auf sozialer Ebene trugen die misantropen oder asozialen Protagonisten auch zu keiner Erleuchtung bei. Romane sind anscheindend nicht so meins und ich habe im Prinzip von Romanen auch keine Ahnung und nur wenig Bildung abseits der Abitur-Pflichtlektüre.

Abgesehen von reiner Unterhaltungsliteratur vermute ich in jedem Buch, in jeder Geschichte, auch eine Aussage. Gelernt habe ich mittlerweile, daß viele Autoren die Lehre oder Aussage gezielt vermeiden, um dem Leser einen möglichst großen Interpretationshorizont zu bieten. Läßt sich der Leser darauf ein und ist kompatibel zum Thema und der Präsentationsart, ist es möglich, beim Leser Denk- oder Veränderungsprozeße anzuregen. Andere sind der Meinung, daß Künstler auch mal nichts aussagen oder bezwecken wollen. Diesem Gedankenexperiment habe ich mich mehrfach gestellt und ich kann das akzeptieren, aber mit meinem persönlichen Denken und Empfinden nicht in Einklang bringen. So vermute ich zwangsläufig auch Aussagen oder Anregungen in Schlink's Buch.

Die ersten beiden Geschichten haben mich enttäuscht. Die Lösungen der aufgezeigten Probleme wären nicht meine Lösungen gewesen und ich kann hier weder einen Denkanreiz, noch Unterhaltung feststellen. Die Akteure verhalten sich passiv - irgendwie ohnmächtig. Sie ergeben sich ihren Unfähigkeiten. Das stößt mich ab, so wie Mr. Bean dabei zu beobachten, wie er sich immer tiefer rein reitet.

Aber bereits mit der dritten Kurzgeschichte war ich kompatibel, fand unschwer die "Ringparabel", unangenehmerweise im Monolog des vom Leser verachteten Hochstabler-Versager-Betrügers, mußte darüber nachdenken, mit mir ins Gericht gehen und fand mich am Ende bewegt. Die angenehm bildliche Schreibweise des Autors war mir zuvor schon aufgefallen. Sachlich, nüchtern bis verspielt, minimal und zielstrebig. In Verbindung mit der emotionalen Identifikation des Lesers entsteht ein mächtiges Spannungsfeld mit Überraschungsmoment und kurzem Erschüttern konservativer Ideale. Mir scheint, daß Schlink das Freidenken in das Freifühlen transportieren will.

Oder was denkst du? Klär' mich auf! Schreib' mir deine Meinung!

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